Vom Genie zum Remis-König
Einen einmaligen Rekord hat Salo Flohr (1908 - 1983) aufzuweisen. In fünf Turnieren der dreißiger Jahre lag er vor Weltmeistern (amtierenden, ehemaligen und künftigen). Alle fünf Turniere gewann Flohr: 1931 in Hastings vor Euwe, 1933 in Hastings vor Aljechin, 1935 in Moskau vor Lasker und Capablanca, 1939 in Leningrad vor Smyslow.
1932 spielte er einen Wettkampf gegen Euwe 8 : 8, ein Jahr später gegen Botwinnik 6 : 6. "1933 avancierte Flohr zum Genie", meint Botwinnk dazu. "Nach der ersten Hälfte unseres Wettkampfes, die für mich wenig erfreulich verlaufen war, übersiedelten wir von Moskau nach Leningrad. Alles umschwärmte ihn; mich beachtete niemand. Die Jornalisten verglichen Flohr mit Napoleon. Vielleicht war Napoleon tatsächlich ein Genie. Flohr dagegen war ein gewöhnlicher Mensch, wenngleich ein äußerst begabter."
1937 bestimmte der Weltschachbund Flohr zum Herausforderer Aljechins. Doch zum Kampf um die Weltmeisterschaft ist es nie gekommen. Nachdem Flohr aus seiner tschechischen Heimat in die UdSSR übersiedelt war, sank sein Stern. In der Tschechoslowakei war er ein Volksheld. Es gab Flohr-Zigarren, Flohr-Krawatten, Flohr-Gebäck. In der schachsüchtigen UdSSR war Flohr jedoch nur ein Großmeister unter vielen. Er entwickelte sich zum Remis-König.
Flohrs berühmteste Partie ist kein triumphaler Sieg, sondern ein klassischer Fall von Schachblindheit. In der Diagrammstellung (Flohr-Grob, Arosa 1933) gab er auf. Hätten Sie das auch getan?