Bescheidenheit ist eine Zier
Als Fritz Sämisch einmal in Zürich ein Taschenschachspiel kaufen wollte und sich nach dem Preis erkundigte, antwortete der Ladeninhaber (der Schweizer Meister Grob): "Für Sie, Meister, kostet es nichts." Darauf Sämisch: "Dann geben Sie mir gleich zwei." So unbescheiden war Sämisch sonst eigentlich nicht. Im Gegenteil. Er rechnete sich zum Beispiel nicht zu den "echten" Großmeistern, da er nur gegen 21 der zu seiner Zeit führenden 30 Großmeister gespielt und nur zehn von ihnen geschlagen hatte.
Und das Format eines Weltmeisters ging ihm ohnehin ab - wie diese Geschichte zeigt: Bei einem Turnier in Wien 1922 ließ sich Sämisch das Frühstück stets auf sein Zimmer bringen. Als er nach Turnierende dafür mit den Essengutscheinen bezahlen wollte, die jeder Teilnehmer bekommen hatte, stellte sich heraus, dass Hotel und Restaurant verschiedene Besitzer hatten und die Gutscheine nur fürs Restaurant galten, nicht aber fürs Hotel. Sämisch fragte daraufhin Aljechin, ob dieser sein Frühstück auch aus eigener Tasche habe bezahlen müssen. Die Antwort des Mannes, der fünf Jahre später Weltmeister werden sollte, war schlicht und ergreifend: "Ich habe den Ober mit der Rechnung rausgeschmissen."
Aber widmen wir uns nun der Diagrammstellung, die in einer Partie Sämisch - Hönlinger (Hastings 1938/39) entstand. Sämisch hatte soeben seinen Bauern nach d6 gezogen, und sein Gegner nahm ihn mit dem Läufer gierig weg.
Durfte er das?